Eines Tages saß ein Abteilungsleiter vor mir, der vor kurzem das Unternehmen gewechselt hatte. „Wie würden Sie ihre berufliche Situation gerade beschreiben?“ fragte ich ihn. „Die Hölle“ war seine klare Antwort.
Aha. Da muss man schon ein Teufel sein, damit man sich dort wohlfühlen kann. War er nicht. Schade. Ich hatte schon mit Jesus zusammengearbeitet. Genauer mit „de Jesus“. Er war Portugiese. Aber das ist eine andere Story.
Also Hölle oder… man findet eine andere Beschreibung, ein anderes Bild, welches ebenso wahr ist, wie das Bild der Hölle. Wir gingen daher gemeinsam auf die Suche. Er berichtete mir, was er in seiner Freizeit gerne machte und erzählte mir begeistert von einer Klettertour, die er neulich zusammen mit ein paar Freunden unternommen hatte.
Dieses „Bild“ der Klettertour ließ ich ihn näher beschreiben. Besonders in schwierigen Kletterpassagen, hatte er Sicherungen verwendet. Man half sich gegenseitig, um besser voran zu kommen. Er ging in seiner Beschreibung sichtlich auf. Seine Körpersprache, seine Mimik und Gestik waren viel lebendiger als gerade noch zuvor. Hier hatte er vollen Zugriff auf seine Ressourcen.
Nach seiner Beschreibung lud ich ihn ein, Parallelen zu seiner aktuellen beruflichen Situation zu ziehen. Bisher versuchte er seine Probleme und Schwierigkeiten allein zu meistern. Als neue Führungskraft fehlte ihm ein Netzwerk in der neuen Firma. Er kannte noch zu wenig Kollegen, und er fürchtete Schwäche zu zeigen, wenn er um Unterstützung bat.
Die Problematik, wofür man ihn geholt hatte, war jedoch abteilungsübergreifend von Relevanz für das Unternehmen. Wir veränderten daher die Beschreibung seiner beruflichen Situation von „Hölle“ zur „Erstbesteigung“. Dazu war ein Team von Bergsteigern auszumachen, welche das genaue Ziel kannten. Mit Ihnen musste die beste Route besprochen werden, Lager (Meilensteine) mussten festgelegt werden und Sicherungen waren notwendig an Passagen, welche schwierig zu meistern waren. Man kannte in der Gruppe die jeweiligen Stärken und Schwächen, damit man sich im Ernstfall aufeinander verlassen konnte.
Diese Art der Beschreibung der Situation aktivierte viele seiner Ressourcen, auf die er vorher keinen Zugriff hatte. Er konnte damit sein Rollenverständnis an die Situation anpassen und verstand sich nicht mehr als Einzelkämpfer in auswegloser Lage, sondern als Mitglied eines Teams. Sein Fokus verlagerte sich weg von den fachlichen Themen, hin zu „Networking“ und „Kennenlernen der Kollegen“. Sehr schnell stellten sich im Laufe des Coachings erste Erfolge in seinem neuen Job ein.
Unsere Wahrnehmung wird stark durch Bilder, Sprache und Gefühlen beeinflusst. Wir hypnotisieren uns selbst. Meist passiert das ganz unbewusst. Erst in der gemeinsamen Reflektion können solche Muster reflektiert und verändert werden. Dazu braucht es manchmal einen guten Freund, manchmal einen polierten Spiegel, manchmal beides. Auf jeden Fall einen schöpferischen Dialog, welcher neue Perspektiven generiert. Es lohnt sich oder wie Reinhold Messmer sagt: „Die Berge, die es zu versetzen gilt, sind in unserem Bewusstsein“
DVD-Tipp: Pepe Danquart „Am Limit“